Die Tiere in der Nordstadt
Wir sind erst wenige Schritte gegangen, als Jürgen Hundorf stehen bleibt. Er hebt die Hand. “Eine Mönchsgrasmücke zwitschert, dahinten klopft ein Specht”. Und Jan Peter Mohr zeigt nur nach rechts. Dort sucht ein Grünspecht nach Futter, lässt sich wenig irritieren. Oben auf dem Baum sonnt sich ein Eichhörnchen. Der Gärtnermeister und Hobby-Ornithologe Hundorf und Jan Peter Mohr, Leiter des Fredenbaumparks, begleiten mich durch den Fredenbaumpark. Ich will wissen, welche Tiere es in der Nordstadt gibt. Ich fange in diesem Park mal an.
Jan Peter Mohr vermutet Waschbären in seinem Park, gesehen hat er sie noch nicht. Auch über den Fuchs ist er sich sicher, hat ihn aber auch noch nicht gesehen. Mohr hat sein Amt erst im September angetreten. Maulwürfe und Mäuse sind da, natürlich Igel und Marder. Viele Eichhörnchen leben im Fredenbaumpark, vermutlich auch Siebenschläfer. Und im Moment sind die Kröten unterwegs, durch die aktuelle Kälte etwas aufgehalten. Jürgen Hundorf weiß von vielen Fledermausarten, die hier zu Hause sind.
Sicher sind beide: Es gibt eine vielfältige Insekten- und Vogelwelt hier im Norden der Stadt. Und wir kommen schnell darauf, warum das so ist. “Die ebenfalls vielfältige Struktur der Parks bietet den Lebensraum dafür”, sagt Jürgen Hundorf. Denn neben Waldflächen gibt es Sträucher, Wiesen und Wasser. Und was ihn sehr freut: “Wir gehen heute anders damit um als noch vor Jahrzehnten”, erklärt er.
Im Wald bleiben die Äste jetzt eher liegen und liefern damit Lebensraum. Einige Wiesen werden nur noch zwei Mal im Jahr gemäht, und dann ganz anders. Nämlich mit Balkenmähern. Das Schnittgut wird auf Reihe gelegt, dann mit einer Ballenpresse aufgenommen. “Schön ist, dass unsere Parkbesucherinnen mittlerweile viel mehr Verständnis dafür haben”, sagt Jan Peter Mohr.
Besonders die Parks seien Orte, wo heute für Menschen und Tiere gleichermaßen gedacht werde. Dies allerdings unter ökologischen Gesichtspunkten. “Wir lassen viel mehr Wildnis zu, damit die Vielfalt erhalten bleibt, vielleicht sogar größer wird”, sagt Mohr.
Deutlich wird das, als wir an einem der Teiche stehen. Mohr denkt über andere Uferstrukturen nach. Die Nutrias, von denen er glaubt, dass sie über den Hafen in den Park gefunden haben, sind niedlich und gleichzeitig schwierig. “Ähnlich wie bei den Enten, die niemals gefüttert werden sollen”, erklärt er. Gefüttert werden die Nutrias leider dennoch. Viel lieber möchte er dem Eisvogel eine Nisthilfe anbieten, um ihn in den Park einzuladen.
Einig sind sich der Parkleiter und der Gärtnermeister über die Anpassungsfähigkeit der Tiere. “Viele kommen mit der Stadt besser klar, als wir glauben”, versichert Jürgen Hundorf. Als Mitarbeiter des Grünflächenamts sieht er gern über die Parks hinaus. “Jede Blumenwiese und jedes sogenannte Straßenbegleitgrün hilft Insekten und damit auch Tieren”, sagt er. Er spricht von der Vernetzung der Grünanlagen, die der Stadt gut tut.
Wir sind mittlerweile am Sandarium angekommen. Totholz und Sandflächen bieten besonders Wild- und Sandbienen einen wichtigen Lebensraum. Spinnenarten freuen sich auch darüber. Der Grünspecht ist ebenfalls schon wieder hier und sucht nach Ameisen. Nebenan zeigt Jürgen Hundorf eine Blumenwiese, die gerade zu sprießen beginnt. Jan Peter Mohr zeigt auf einige Obstbäume, die gepflanzt wurden. “Das sind einige südeuropäische Arten, die wir ausprobieren”. Er nennt Mandeln, Feigen und Pfirsiche.
Mohr glaubt schon, dass sich Tiere und Menschen im Fredenbaumpark gut miteinander vertragen. “Schade nur”, so seine Erfahrung, “dass es immer weniger Wissen über die Natur vor der Haustür gibt”. Kollege Hundorf nickt. “Kaum noch jemand kann die Vogelarten benennen, die hier ihr Konzert geben”, ergänzt er. Parkleiter Mohr denkt über neue Beschilderungen nach, über Kartierungen, über den Autoverkehr, der leider noch immer im Fredenbaumpark stattfindet. Und weiß gleichzeitig, dass es dauern wird.
Dr. Kristof Hennies vom NABU-Stadtverband Dortmund bestätigt das wenige Wissen um die Natur. Selbst im Biologie-Studium sei die Laborarbeit mittlerweile mehr im Vordergrund als das Allgemeinwissen.
Zum Thema “Tiere in der Stadt” hat er gleich zwei Beispiele parat, die er gern nennt. Etwa Mauersegler, die noch immer an den Dachtraufen der Häuser Gelegenheit finden dort zu nisten. “Die kommen auch in der heißesten Stadt klar”, sagt Hennies. Weniger gut ist der Bericht aus der Vogelpflegestation des Dortmunder Naturschutzbundes. “Wir finden immer weniger Vögel”, so Dr. Kristof Hennies. Was sich zunächst positiv anhört, hat jedoch den eigentlichen Hintergrund, dass es immer weniger Greifvögel und Eulen gibt.
Lob und Kritik in der Stadt Dortmund verteilt der Vorsitzende gleichermaßen. Die wieder eingerichtete Eigenständigkeit des Grünflächenamtes begrüßen die ehrenamtlichen Naturschützer. Es gibt erste Wettbewerbe, bei denen man gut abschneide, sagt Hennies.
Deutliche Kritik gilt der weiter zunehmenden Flächenversiegelung. “Der Flächenverbrauch ist noch immer viel zu hoch”, sagt Hennies. Auch wenn es positive Ansätze gebe, wie etwa beim neu geplanten Karlsquartier, der ehemaligen Westfalenhütte. “Es ist der Versuch, die ehemalige Gesamtfläche von 460 Hektar mit der geplanten Fläche von 35 Hektar für den “Grünen Ring” nicht komplett zu versiegeln”, vermutet er. Dabei habe es selbst bei der damaligen Industrienutzung immer auch Naturflächen gegeben, die wichtig gewesen seien.
“Ist eigentlich die Internationale Gartenausstellung im Jahr 2027 eine Chance oder ein Schrecken?” frage ich zum Schluss. Dr. Kristof Hennies ist skeptisch. “Wir sehen eher, dass dort Naturflächen für den Freizeittourismus erschlossen werden”, so seine Meinung. Der Gewinn für die Natur sei vermutlich eher gering.
Ein Treffen mit Ute Ellermann vom Freundeskreis Hoeschpark. Eine Elster hat auf dem Parkplatz eine Brötchentüte gefunden. Es dauert nicht lang, bis sie sie mit dem Schnabel geöffnet hat. Die Zahl der Tiere im Hoeschpark sei überschaubar, berichtet sie. Beim Schlendern durch den Park kommt dann doch einiges zusammen. “Einige Zeit wurde ein Rehbock gesehen”, sagt sie. “Ob er noch da ist, wissen wir im Moment nicht”. Am kleinen Teich am Rande des Wäldchens sind ein paar Gänse unterwegs.
“Hier haben wir auch schon Reiher gesehen”, so Ute Ellermann. “Und es waren schon Stockenten und Blesshühner hier”. Weniger gut ging es dem Teich in den vergangenen Jahren, die sehr warm und trocken waren. “Das sah nicht gut aus.”
Vom Specht weiß sie, dass er da ist. Und wir sehen einen Bussard, der durch die Baumkronen segelt, schließlich landet und verharrt. Etwas rätselhaft ist ihr, dass die Erdkröten nicht mehr da sind. “Vor einigen Jahren waren es sehr viele. Warum sie jetzt nicht mehr da sind, wissen wir nicht”, berichtet sie.
Für mehr Insekten und damit mehr Vögel im Hoeschpark werden zunehmend Blühwiesen angelegt. Nach ihrer Meinung könnten es aber mehr sein. Und es fällt auf, das die Sträucher und Büsche sehr kurz geschnitten sind. “Für einige Brutvögel eher schwierig”, so Ute Ellermann.
Ohnehin hat der Hoeschpark mit seiner überschaubaren Fläche einen ganz anderen Charakter als der Fredenbaumpark. Das Miteinander von Tier und Mensch sieht anders aus, weil es viel mehr Sportflächen dort gibt. Gut für die Menschen, die die Flächen gern nutzen. Etwas weniger gut für die Tiere, die ihren Lebensraum suchen müssen.
Text und Foto: Christian de Vries
Fotohinweis: Mönchsgrasmücke Von photo taken by Jakub Stančo, - Übertragen aus cs.wikipedia nach Commons., CC BY-SA 3.0
Fotohinweis: Mauersegler Von Keta - Detail of Apus_apus_flock_flying.jpg, CC BY-SA 3.0