Planerladen schafft Dialog
Diskussion mit Jugendlichen über Identität und Heimat
Der Planerladen stellte in Kooperation mit dem Dietrich-Keuning-Haus am 02.12.2022 den Film „Mein Deutschland?! Wie sehen Jugendliche mit Migrationsgeschichte ihre Zukunft in Deutschland?“ von Abbas Doğan vor. Acht Jugendliche sprechen darin über ihre Identität, über Heimat, Kultur, Sprache, Familie und über ihre Wünsche für die Zukunft. Zu diesen Themen diskutierte Moderator Levent Arslan (DKH) im Anschluss an den Film mit Gästen und Publikum im sweetSixteen-Kino.
Für die Diskussion kamen zwei der Protagonist*innen, Sarra Lejmi und Alessio Giunta, sowie Anna Spaenhoff aus dem Stadtrat (Vorsitzende im Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie) und Mirza Demirović vom Jugendamt auf dem Podium zusammen.
Levent Arslan zeigte Anerkennung für die Jugendlichen, die sich nicht nur in der Diskussion am Abend sondern auch neben Schule und Studium ehrenamtlich engagieren: „Erstmal: toll, dass ihr das macht!“. Es wurde schnell klar, dass Jugendliche für sich oft gar nicht die Notwendigkeit sehen, sich auf eine Nationalität festzulegen. Auch die Frage nach dem „Migrationshintergrund“ ist nicht hilfreich sondern eher verwirrend: „Ich bin hier geboren, also bin ich aus der ersten Generation?“, fragte Alessio auf dem Podium. Eindeutig konnte ihm die Frage niemand beantworten, die Mehrheit einigte sich auf „zweite Generation“, da die Eltern zugewandert waren. Mirza Demirović, machte vor dem Hintergrund seiner eigenen Lebensgeschichte deutlich: „Man kann mehrere Identitäten haben“. Wahrscheinlich ist es eine Frage, auf die jeder von uns im Laufe des Lebens verschiedene, sehr persönliche Antworten findet. Doch offiziell muss die Frage nach der Staatsangehörigkeit recht früh entschieden werden: laut Gesetz nämlich vor dem 23. Geburtstag. Eine doppelte Staatsangehörigkeit ist nur in Ausnahmefällen möglich. Das sorgt bei den jungen Menschen, die sich für einen Pass entscheiden müssen, oft für Kopfzerbrechen.
Auch Heimat ist ein schwer zu definierendes Wort. Es beschreibt eher ein Gefühl als einen Ort. Vielleicht ist da, wo man sich wohlfühlt und sich nicht erklären muss, Heimat. Aber was bedeutet es, sich wohlzufühlen? Anna Spaenhoff sieht sich selbst zwar als deutsch, aber „erstmal bin ich Dortmunderin“. Am Ende entscheidet jeder für sich, aber es schien für diese Runde einfacher, sich auf Dortmund oder das Ruhrgebiet als Heimat zu einigen. Dabei schwingt vielleicht nicht die gleiche Schwere mit wie bei einer Identifikation mit Deutschland. Die Diskussion brachte auch unangenehme Themen auf den Tisch. Fast alle Protagonist*innen konnten aus eigener Erfahrung von Diskriminierung oder Rassismus berichten. Nicht nur im Alltag, zum Beispiel beim Einkaufen, sondern vor allem in Situationen wie der Wohnungssuche und bei der Bewerbung werden weiterhin Menschen wegen ihres Namens oder Aussehens diskriminiert. Auf dem Podium benannte Sarra Lejmi (Sprecherin Jugendforum Nordstadt) strukturellen Rassismus als Problem, das Menschen ausgrenzt und die Identifikation mit Deutschland erschwert oder unmöglich macht.
Dabei sollte es im Jahr 2022 selbstverständlich sein, verschiedene Kulturen und Sprachen als Gewinn für Deutschland zu sehen. Die Interviews im Film entstanden dieses Jahr unter der Regie von Abbas Doğan, der kurz nach Fertigstellung unerwartet verstarb. Er war türkischer Journalist und Filmemacher und bekannt unter dem Spitznamen „Hoca“, Lehrer. Ehrenamtlich machte er sich u.a. im DIDF (Türkische Föderation der Demokratischen Arbeitervereine) für soziale Gerechtigkeit stark.
Der Filmabend wird im Rahmen der Projekte „INKLUDO 2.0“, „Nordstadt to go!“ und Jugendforum Nordstadt des Planerladen organisiert. „INKLUDO 2.0“ wird gefördert mit Mitteln aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) der EU. Das Projekt „Nordstadt to go!“ wird gefördert durch das Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI). Jugendforum Nordstadt erhält Förderung durch das Landesjugendamt.
Foto Podium v.l.n.r.: Levent Arslan, Anna Spaenhoff, Sarra Lejmi, Alessio Giunta, Mirza Demirović
Bildrechte: Planerladen Projekt „Nordstadt to go!“